76 Jahre ist das Ende des Zweiten Weltkriegs nun her. Und nicht nur trotz, sondern gerade weil die Zahl der Zeitzeugen Jahr für Jahr abnimmt, ist es wichtig, weiter an die Opfer zu denken. Genau das haben am Sonntag mehrere hundert Teilnehmer im Rahmen des Volkstrauertags in Rietberg gemacht. Sie gedachten auf Einladung der Stadt und der St. Hubertus Schützengilde Rietberg der Toten beider Weltkriege.
NRW-Landtagspräsident André Kuper machte in seiner bewegenden Gedenkrede deutlich, dass der Zweite Weltkrieg nicht weit weg, sondern auch direkt vor der Haustür stattgefunden hat. Denn in Schloß Holte-Stukenbrock betrieben die Nationalsozialisten das Stammlager (kurz: „StaLag“) 326 Senne. „Dass in unmittelbarer Nähe zu meinem, zu unserem Heimatort, von 1941 bis 1945 ebensolche Gräueltaten verübt worden sind, das war mir nicht bewusst. Es lässt mich mit Entsetzen erschauern“, sagte Kuper am Sonntag in seiner Ansprache. Auf dem heutigen Gelände der Landespolizeischule wurden während des Zweiten Weltkriegs rund 320.000 Kriegsgefangene untergebracht. „Schätzungsweise bis zu 65.000 Kriegsgefangenem – also zweimal die Bevölkerung der Stadt Rietberg – sind im Lager in der Senne ums Leben gekommen.“
Der ehemalige Rietberger Bürgermeister setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass in Schloß Holte-Stukenbrock eine Gedenkstätte entsteht. Denn: „Die gemeinsame Erinnerung daran kann und muss eine neue Verbindung zwischen Generationen schaffen“, führte Kuper weiter aus. Eine solche Erinnerung durch die Gedenkstätte aber eben auch durch die Teilnahme am Volkstrauertag sollte seiner Meinung nach Warnung genug sein für die nachfolgenden Generationen, einen Krieg anzuzetteln. „Mir ist es wichtig, dass wir aus der Geschichte lernen und sich Krieg und Gewalt niemals wiederholen.“
Kriege gebe es auch weiterhin auf der Welt. Und auch wenn Deutschland in der Regel nicht direkt betroffen sei, seien die Folgen oftmals dennoch spürbar: Im Jahr 2015 entstand auf dem ehemaligen Stalag-Gelände eine zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes während der Flüchtlingskrise. „Damit wurde einmal mehr deutlich: Jeder Krieg auf der Welt hat weitreichende Folgen mit Vertreibung oder Flucht“, unterstrich Kuper. Gerade in Zeiten von aufkeimendem Hass und von zunehmendem Antisemitismus sei die Gesellschaft in Deutschland als Nutznießer eines demokratischen Staates geradezu dazu verpflichtet, die Stimme zu erheben und sichtbare Zeichen zu setzen. „Sie alle haben mit Ihrer Teilnahme und Mitwirkung – hier und heute – ein solches Zeichen gesetzt“, dankte der Landtagspräsident allen Rietberger Vereinen und den Bürgern für ihre Teilnahme.
Im Anschluss lud die Gilde zum gemeinsamen Abschluss in der Vereinsgaststätte „Zum Alten Grafen“ ein. Aufgrund der wieder stark steigenden Corona-Zahlen hatten sich die Malteser auf Initiative der Gilde kurzfristig bereit erklärt, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf das Virus zu testen. Somit konnte der Volkstrauertag ohne Sorge auf eine Ansteckung nach der offiziellen Gedenkfeier weiter gehen.